Im neuesten Band der Falter Krimianthologien machen dreizehn österreichische Krimiautorinnen und -autoren den Würstelstand, Heimstätte des schnellen Genusses und Institution der Wiener Alltagskultur, zum Ort des Verbrechens. "Soziologisch betrachtet ist der Würstelstand ein hochinteressanter Ort. Hier treffen Angehörige aller Gesellschaftsschichten aufeinander - vom Hofrat bis zum Obdachlosen", schreibt Edith Kneifl, Psychoanalytikerin und Herausgeberin des Bandes. Ob Käsekrainer, Klobasse, Waldviertler, Currywurst, Frankfurter, Debreziner oder Bosna, Herr und Frau Wiener lieben die verschiedenen Wurstspezialitäten, die an den Würstelständen quer durch die Stadt angeboten werden. Welche dieser heißen Köstlichkeiten in der Beliebtheitsskala gerade vorne liegt, variiert je nach der Lage des Stands und der Jahres- und Tageszeit. Liebhaber finden sie jedenfalls alle, und das bei Tag und bei Nacht. Es wäre nicht Wien, verpasste man nicht allem, was man besonders gern hat, einen liebevollen Spitznamen. So wird die Käsekrainer zur wenig gustiösen "Eitrigen", die Klobasse, die "Haaße", zur "Burenwurst" und umgangssprachlich dann zum "Burenheidl". Ein Blick zurück zeigt, dass Würstelstände bereits in der Monarchie zum Stadtbild gehörten. Ursprünglich waren es Wägen, die außerhalb der streng geregelten öffnungszeiten von den Straßen der Stadt zu verschwinden hatten. Erst seit den 1960er-Jahren sind Stände an fixen Standorten erlaubt. Vorzugsweise sind sie an vielbefahrenen Straßen, belebten Kreuzungen oder Stationen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu finden. Geöffnet haben sie nicht nur tagsüber, sondern bis tief in die Nacht und die frühen Morgenstunden hinein. So bieten sie auch noch den letzten bedürftigen Nachtschwärmern Gelegenheit, sich zu laben. Diesen Ort des schnellen Genusses, dem Zuhause der fetten und dampfend heißen Würste, haben sich Edith Kneifl und zwölf weitere Krimiautorinnen und -autoren zum literarischen Schauplatz für Wiener Kriminalgeschichten auserkoren. Einige wählten fiktive, andere wieder real existierende Stände, alle jedenfalls ließen sich von diesem Tummelplatz "normaler" Leute wie schräger Gestalten, die um die Wiener Würstelstände scharen, zu spannenden Kurzgeschichten inspiriert.
ISBN 978-3854394914
280 Seiten
Falter Verlag 2013