No hype, just love and true dedication

Verleihung des Ehrenglausers 2018 an Dr. Edith Kneifl
am 5. Mai 2018 in Halle an der Saale

Der diesjährige Ehrenglauser geht an Dr. Edith Kneifl. Ja, Doktor – soviel Zeit muss sein. Das wissen viele gar nicht. Weil man sich als Krimiautor ja immer nur selbst googelt und dann kommt lange nichts. Aber wenn man sie googeln täte, da würden einem die Augen übergehen. Weil nämlich der Teil ihres Lebens, der nicht in irgendeiner Weise jugendgefährdend ist, jede Menge Stoff für Hollywood-Filme bieten würde. Nein, ich übertreibe nicht.

Was war – und ist! – das für ein pralles Leben. „Um schreiben zu können, muss man erstmal leben“, sagte Ernest Hemingway. Edith Kneifl praktiziert das vor.
Sie wuchs in Oberösterreich auf und studierte ein Semester Publizistik, um Sportjournalistin zu werden, nahm aber „von diesem Berufswunsch Abstand, als sie merkte, dass sie mit dem schon damals lausigen Journalisten-Honorar nicht einmal ihren Zigarettenkonsum finanzieren konnte“. (O-Ton) Ich habe extra nicht erwähnt, wie alt Edith ist, aber wir deduktiv geschulten Fachleute ahnen, dass das schon eine ganze Ecke her sein muss, wenn es damals noch kein Widerspruch war, zu rauchen und im österreichischen Tischtennis-Nationalteam (!) zu spielen.

Sie ging an die Uni Wien, wo sie in Psychologie und Ethnologie promovierte, und machte später eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin. Noch mehr Wien geht kaum.
Eine zeitlang arbeitete sie damals in der „interministeriellen Arbeitsgruppe zur Behandlung frauenspezifischer Angelegenheiten“, was für uns Heutige ein bisschen gynäkologisch und nach PMS-Attacken klingt, aber ein politisches Engagement war.
Edith hat sich nämlich immer auch politisch engagiert, hat klar Stellung bezogen, damals für „Künstler für den Frieden“ und heute, wie ihre Freundin und Kollegin Doris Gercke hervorhebt, gegen rechts.
Brava!

Was wissen wir über Edith als Mensch? Sie ist immer schon gern gereist. Sehr oft nach Griechenland, was man an ihrer großzügigen Gastfreundschaft merkt. Die Reiselust hat sie auch in die USA geführt (in „Blutiger Sand“ rechnet sie mit dem American Way of Life ab), und wer sie kennt, sagt Doris Gercke, weiß um ihre Sehnsucht nach dem Meer und ihre Liebe zu Triest: Man muss nur ihren melancholisch-schönen „Triestiner Morgen“ lesen, um zu spüren, wie groß diese Liebe ist. Und apropos Meer: Edith ist einmal mit KGB-Agenten im Pazifischen Ozean geschwommen – da hat man doch sofort das Bild von ihr als Ursula Andress vor Augen, wie sie aus den Fluten steigt, neben ihr Sean Connery, nur eben nicht als James Bond, sondern als Igor, der Schlächter von Wladiwostock –, aber das ist eine andere spannende Geschichte …

Und da sind wir auch schon bei Ediths schriftstellerischen Schaffen. Sie hat als junge Frau alles von Dashiell Hammett und Raymond Chandler gelesen, fing relativ früh mit dem Schreiben an und hat die Meister des Noir feministisch parodiert. Wenn’s stimmt, wollte anfangs sogar der Frauenmörder Jack Unterweger einen Kurzkrimi von ihr verlegen. Das hat nicht geklappt – wer weiß, ob wir heute und hier sonst in dieser Konstellation so beisammen sitzen würden. Göttinseidank trat schon bald der Haymon Verlag aus Innsbruck an sie heran, und Kollege Alfred Komarek, der Edith einen präzisen Intellekt attestiert, verbunden mit einer zutiefst Wienerischen Weltsicht, was er beides sehr an ihr schätzt, riet ihr, das Angebot anzunehmen. Haymon ist sie bis heute treu geblieben. In einer Zeit, in der Autoren mit ihren Serien des Öfteren Verlags-Hopping betreiben, ist ihre Loyalität ein seltenes Gut. Was auch Verleger Markus Hatzer zu schätzen weiß, der besonders ihre Empathie für die Menschen und ihre Probleme in der Gesellschaft hervorhebt. Oder wie Janwillem van de Wetering es formulierte: „Gute Kriminalschriftsteller sind die Psychoanalytiker der menschlichen Schattenseiten“. Und genau das ist Edith, eine exzellente Detektivin der Seele. Ihre Figuren – Katharina Kafka, Gustav von Karoly, Joe Bellini, Lisa Maurer – sind echt, bis hin zu den Nebenfiguren. Und ihre Schreibe ist einzigartig – da gibt es dann auch schonmal achtzehn Seiten Monolog. „Abseits gängiger Erwartungen“ hat das Börsenblatt die Entscheidung der Jury tituliert, den Ehrenglauser an Edith zu verleihen, und meinte damit, dass sie eine Autorin ist, die ihren Weg jenseits der Erwartungen des Mainstream geht. Eine Autorin, die es nicht mag, schubladisiert zu werden – Frauenkrimis, Wienkrimis, Thriller – und die keine endlosen Serien mag: nach 3 – 5 Büchern langweilt sie sich mit ihrer Personage und bricht zu neuen Ufern auf. Sich so bewusst abseits gängiger Vorstellungen, wie das Genre zu sein habe, zu bewegen, ist auch ein Zeichen von Mut und Charakterstärke.

Es gibt in unserer Branche ja die gehypten Stars, die in aller Munde sind und medienwirksam auf der Welle ihres Erfolgs surfen, mehr oder weniger lange, aber daneben gibt es eben auch die stillen Stars, die immer da sind, immer auch draußen in den Wellen, nur halt nicht so mittendrin in der medialen Wahrnehmung. Und da übersieht man leicht, was diese stillen Stars Unglaubliches geleistet haben. Edith beispielsweise ist gelungen, was in der über 30-jährigen Geschichte des Syndikats noch niemand gelang: Sie hat für „Zwischen zwei Nächten“ 1992 den Glauser für den besten deutschsprachigen Roman bekommen – „höchst verdient“, wie Felix Huby attestierte – und erhält jetzt den Ehrenglauser, nicht (oder nicht nur) für ihr Lebenswerk, das ist noch lange nicht beendet, sondern vor allem in Würdigung ihres Einsatzes für den deutschsprachigen Kriminalroman. Und das geht weit darüber hinaus, einfach nur exzellente Kriminalromane zu schreiben und es auszusitzen, bis man quasi altershalber den Ehrenglauser überreicht bekomt, wie es beim Literaturnobelpreis der Fall ist.

Kollege Jürgen ‚Ali‘ Alberts hat hervorgehoben, dass Edith die Türöffnerin aller österreichischen Kolleginnen und Kollegen war, die mittlerweile stark im Syndikat vertreten sind und die Criminale schon zweimal nach Österreich geholt haben, nach Wien und Graz. Edith hat u.a. tatkräfitg mitgeholfen, Krimievents zu etablieren, hat Anthologien herausgegeben, in denen sie Kolleginnen und Kollegen eine Plattform zur Veröffentlichung bot, hat sich immer „mit lauter Stimme“, wie die Jury sagt, dafür eingesetzt, dass der Kriminalroman – der im Lande der Dichter und Denker jahrzehntelang nur heimlich gelesen wurde und der bis heute nicht wirklich als E-, sondern nur als U-Literatur gilt und es gerade mal so eben allmählich ins Feuilleton schafft –, dass also dieser Kriminalroman die ihm gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Öffentlichkeit bekommt. Und ihr jahrzehntelanges Engagement trägt nun Früchte.

Wir Altgedienten des Syndikats hätten ihn ja alle gern, den Ehrenglauser. Und ich glaube, als Jürgen Kehrer aus Münster (der zusammen mit Sabina Naber aus Österreich und Sunil Mann aus der Schweiz die Jury bildete) mit seiner sexy Stimme bei Edith anrief und ihr sagte, dass sie die diesjährige Ehrenglauserpreisträgerin ist, ging auch für sie ein Wunschtraum in Erfüllung. Da werden aber keine Wunder wahr, das passiert nicht einfach mit ein bisschen Glück und Feenstaub, da bekommt eine Krimischaffende, die sich konsequent über Jahre und Jahrzehnte hinweg für Kolleginnen und Kollegen und für den Kriminalroman als solchen eingesetzt hat, – ohne Hype, nur mit Liebe und Hingabe -, das was sie verdient: Liebe Edith, das ist dein Ehrenglauser!

(Laudatorin: Tatjana Kruse)